11. September 2018
Burger genießen ohne schlechtes Gewissen?
Interview mit Dr. Simone K. Frey, Future of Nutrition
Ernährungswissenschaftler können entscheidend dazu beitragen, einige der drängendsten Probleme der Welt zu lösen: Übergewicht, schlechte Ernährung auf der einen Seite, Vitamin- oder Mineralstoffmangel auf der anderen Seite. Dr. Simone Frey ist Ökotrophologin, hat selbst ein Start-up aufgebaut und mit Organisationen wie UNICEF, Nestlé oder BASF gearbeitet. Im Vorfeld der Farm & Food 4.0 sprachen wir mit ihr über das Konzept des Startup-Accelerators “Future of Nutrition” und über erfolgversprechende Geschäftsmodelle im Food- und Agrar-Sektor.
Farm & Food: Was ist das Konzept von “Future of Nutrition”?
Simone Frey: “Future of Nutrition” ist ein 3-monatiges Accelerator Programm für Early-Stage-Startups im Bereich Nährstoffmessungen. Wir bringen Startups mit anderen Startups und Experten aus dieser Branche zusammen.
Warum ist das interessant?
Wenn wir uns ausgewogen ernähren, dann bleiben wir im Schnitt 20 Jahre länger gesund, d.h. verkalkte Arterien, hoher Blutdruck oder Diabetes treten 20 Jahre später auf. Die Schwierigkeit für uns Verbraucher ist aber, zu wissen, wie wir versorgt sind. Genau das möchten wir ändern gemeinsam mit den Startups, die dafür Lösungen entwickeln. Das erhöht den Spaßfaktor bei der Ernährung: Wenn ich weiß, wie ich versorgt bin, dann kann ich auch mit viel Lust und ohne schlechtes Gewissen in den nächsten Burger mit Pommes beißen und diesen genießen.
Mit dem Accelerator wollen wir diese Startups suchen, zusammenbringen und sie unterstützen, ihre Produkte zu entwickeln und auf dem Markt zu bringen.
Warum sind Investitionen in Accelerator-Programme bzw. Seed Investments so wichtig?
Für etablierte Unternehmen ist die Zusammenarbeit mit Startups wichtig, weil sie außerhalb ihres Kerngeschäfts Produkte oder neue Geschäftsmodelle ausprobieren können, ohne an das intern bestehende Kennzahlensystem gebunden zu sein. Gleichzeitig sind die Unternehmen von Anfang an dabei, können erfolgversprechende Gründer identifizieren und Beziehungen zu diesen Gründern aufbauen.
Es wird sehr oft davon gesprochen, dass Unternehmen von Startups lernen können. Das sehe ich nicht so. Ich bin der Meinung, dass Startups auch sehr viel von Unternehmen lernen können.
Ich bin seit 13 Jahren in der Branche, und die etablierten Unternehmen der Agrar- und Ernährungsindustrie sind seit Jahrzehnten im Geschäft. Sie kennen die Industrie, die Kunden, sie wissen, welche Hürden genommen werden müssen, wenn man in diesen Markt eintreten will. Startups können von dieser Expertise und von diesen Erfahrungen profitieren und damit schneller ihr eigenes Geschäft aufbauen.
Wo sehen Sie derzeit die erfolgversprechendsten neuen Geschäftsmodelle im Bereich AgTech / FoodTech?
Ich finde zwei Bereiche sehr spannend. Der erste Bereich ist Clean Meat, also Fleisch aus der Petrischale. Startups, die in diesem Bereich auf dem Markt kommen, ermöglichen es Unternehmen, die bisher nichts mit Fleisch zu tun hatten, dort auch Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Zum Beispiel hat im Juli das israelische Startup Mosa Meat eine Finanzierungsrunde abgeschlossen. Einer der Investoren war das Chemie- und Pharmaunternehmen Merck.
Der zweite Bereich, den ich sehr spannend finde, ist die personalisierte Ernährung. Die Individualisierung ist ein Megatrend, das sehen wir auch in der Ernährung. In der Branche sprechen wir seit 10 Jahren von personalisierter Ernährung. Nur war bis dato die Technologie noch nicht so weit entwickelt, dass man Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln konnte. Jetzt sind wir an dem Punkt: Die Technologie ist reif und neue Geschäftsmodelle entstehen. Für uns Verbraucher heißt das, dass wir daten- und faktenbasierte Entscheidungen treffen können und dadurch sehr wahrscheinlich auch besser informiert sein werden, was und wie wir essen sollten.
Warum ist Pioneering AgTech ein spannendes/relevantes Format und was erwarten sie von der Teilnahme?
Pioneering AgTech bringt alle an einem Tisch: Etablierte Unternehmen, die den Markt seit Jahrzehnten kennen, aber auch Startups, die neue Geschäftsmodelle einbringen. Das ist spannend. Die ganze Wertschöpfungskette wird im Moment auf den Kopf gestellt. Früher war diese Kette recht einfach: Landwirt – Zulieferer – Lebensmittelproduzent – Handel – Verbraucher.
Jetzt kann der Landwirt zum Beispiel direkt an den Verbraucher verkaufen – durch Startups wie Marktschwärmer. Es gibt direkte Geschäftsbeziehungen zwischen diesen beiden Teilnehmern in der Wertschöpfungskette. Drogeriemärkte, die ursprünglich aus Apotheken entstanden sind und Heilkräuter verkauft haben, verkaufen jetzt die Produkte von Food Startups. Sie verkaufen Lebensmittel, fangen sogar an Kühlregale in ihren Märkten einzurichten.
Der Verbraucher möchte wissen, welches Lebensmittel sich auf seinem Teller befindet und zurückverfolgen können, woher das Lebensmittel kommt. Um sich anzuschauen, was gerade mit der Wertschöpfungskette passiert, müssen wir alle zusammen kommen. Das macht Pioneering AgTech auf der Farm & Food 2019. Unser “Future of Nutrition” Team findet das sehr gut und wir wollen es uns nicht entgehen lassen.